Fossile und rezente Doraden-Zähne

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Über viele Jahre wurden die Hafenbecken in Kallo bei Antwerpen ausgebaut. Das geschah überwiegend durch nasse Aufspülungen. Der Untergrund, der dabei ausgehoben wurde, bestand aus oligozänen bis pliozänen Sanden. Diese Sande enthielten, wenn gerade die richtigen Schichten angeschnitten waren, viele Schnecken, Muscheln, Brachiopoden, Knochen und Zähne. Das Material wurde auf ausgedehnte Spülfelder aufgebracht. Das Sammeln war offiziell nicht erlaubt, wurde aber meistens geduldet. 

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Abbildung 1 :  Eine malerische Landschaft! Die längere Zeit ruhig liegenden Spülflächen werden nach und nach bewachsen, aber auf den vielen frei liegenden Flächen können überall Fossilien liegen. Die hellen Flächen sind Schill-Anreicherungen.

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Abbildung 2 :  Große Maschinen verteilen den mit dem Rohr (rechts im Bild) zur Deponiefläche gepumpten Schlamm.

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Abbildung 3 :  Mit hohem Druck und in enormer Menge wird der Schlamm durch die Leitungen gepresst und tritt hier mit großer Energie zutage.

Diese Baumaßnahmen zogen sich über mehrere Jahrzehnte hin, so dass wir immer mal wieder auf der Fahrt Richtung Frankreich dort Station machten. Ich bin dabei meist Flächen abgelaufen, auf denen die Fossilien durch Wind und Regen freigelegt an der Oberfläche lagen. An einigen Stellen fand ich auch Löcher, die von Sammlern gegraben worden waren, um dort auf die Schicht mit den Zähnen zu kommen. 

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Abbildung 4 :  Schon längere Zeit bestehende Abbruchkanten werden oft von Uferschwalben besiedelt. Gut erkennbar die bei der Aufspülung entstandene Sekundärschichtung. Die Schilllagen sind an der hellen Farbe erkennbar. 

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Abbildung 5 : Im freigeregneten und -gewehten Schill ein schwarzer Haizahn.

Eines Tages traf ich bei solchen Löchern einen belgischen Studenten, der einen ganzen Wassereimer voll relativ feinen Materials durch Sieben geborgen hatte. Neugierig geworden, sprach ich ihn darauf an. Er zeigte mir einige kleine Zähnchen und fragte: “Warum sucht ihr immer nur die großen Zähne? In diesem Material gibt es eine Vielzahl von kleinen Zähnchen, die man unter dem Binokular auslesen kann.“

Da ich generell zwischendurch immer wieder gern Kleinzeug, d.h. Mikro- und Kleinfossilien auslese, nahm ich daraufhin eine Probe mit und war begeistert von diesem Material! Durchschnittlich 3 bis 6 Zähne von 1 bis 4 Millimeter Größe fand ich in jeder Ausleseschale. Natürlich ist viel Bruch dabei, halbe Zähne, abgebrochene und solche ohne Wurzel. Aber es blieb eine Anzahl recht guter Stücke übrig, die ich in Ultraschall gereinigt habe. 

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Abbildung 6 :  Ein Sack mit Siebrückständen, zum Auslesen zuhause an langen Winterabenden

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Abbildung 7:  Ausleseschale mit zahlreichen Sparus-Zähnen aus dem Pliozän von Kallo. 

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Abbildung 8 :  Kleinfossilien aus dem Pliozän von Kallo in einer Dose 6,8 x 6,8 x 1,6 cm. Kugel- und Haizähne und sonstige Vertebraten-Fossilien.

Die Zuordnung zu bestimmten Fischen wurde dann allerdings schwierig, da es kaum Literatur für diese kleinen Zähnchen gibt. Sicher wusste ich nur, dass die Kugelzähne der Dorade zugeordnet werden. Um wenigstens etwas optisch Ansprechendes zu erhalten, klebte ich einen Teil der schönsten Stücke in kleine Klarsicht-Kästchen und legte sie in meine Sammlung.

Dann bekam ich eines Tages von meinem Sammlerfreund Horst Kaufmann ein rezentes Gebiss von einer Dorade geschenkt. Er hat dieses Gebiss präpariert, nachdem er den Fisch verspeist hatte. Sehr schön kann man daran die Mahl- und Schneidezähne studieren. 

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Abbildung 9:  Gebisspräparat von Sparus auratus (LINNÉ, 1758) (Dorade oder Goldbrasse). Präparathöhe (im zusammenhängenden Zustand) 4,5 cm.  Ober- und Unterkiefer.

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Abbildung 10 : Aufsicht auf die Unterkiefer-Bezahnung.

In Wikipedia fand ich zur Dorade folgenden Artikel:

„Dorade ( Sparus aurata )“ [korrekt Sparus auratus]

„Die Dorade, oder Goldbrasse, gehört zur Familie der barschartigen Fische (Sparidae). Sie bevorzugen als Lebensraum vor allem wärmere Küstengewässer, wo sie zumeist in einer Tiefe von weniger als 30 Metern lebt. Die Dorade hat einen sehr hohen Rücken und wird höchstens 70 Zentimeter lang. Sie kann bis zu 2,5 Kilogramm wiegen. Besonders charakteristisch sind das breite goldene Band zwischen ihren Augen und je ein goldener Fleck auf den Wangen, der ihr auch den Namen Goldbrasse verliehen hat. Ihre Rückenflosse ist mit verschiedenen Strahlen besetzt.“

„Als Hauptnahrung nimmt die Dorade Fische, Muscheln und Krebstiere zu sich. Auch mit härterer Beute hat sie kein Problem, da die Mahl- und Schneidezähne sehr kräftig sind und auch Schalen knacken können.“

„Eine Besonderheit ist, dass es keine rein männlichen oder weiblichen Tiere gibt. Doraden sind immer zweigeschlechtlich.“

„Der Hauptlebensraum der Dorade ist das Mittelmeer . Die größten Fangnationen sind Italien, Griechenland, die Türkei und Ägypten. Inzwischen wir die Dorade aber auch sehr erfolgreich gezüchtet, zum Beispiel in Griechenland, der Türkei, Israel oder Spanien.“

„Die Dorade ist ein äußerst gräten armer Fisch. Ihr Fleisch ist fest, weiß und sehr schmackhaft.“ 

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Abbildung 11:  Rezenter Doraden-Unterkiefer mit (digital) einmontierten fossilen Zähnen von Sparus auritus.

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Abbildung 12: Das rezente Doraden-Gebiss in Frontal-Ansicht

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Abbildung 13 : Schräg-Lateral-Ansicht mit fototechnisch einmontierten Lateralzähnen.

Da ich relativ viele Kugelzähnchen im Kallo-Material gefunden hatte, überlegte ich mir, dass doch eigentlich auch die Schneidezähne, die bei meinem rezenten Gebiss so gut zu sehen sind, in diesem Material vorhanden sein müssen. Auf den obenstehenden Bildern habe ich einige Fotos, die ich von fossilen Zähnen erstellt habe, neben das rezente Gebiss gestellt. Ich stelle mir vor, dass es Entsprechungen sein könnten. Sollte unter den Lesern ein Fachmann sein, der mir dazu etwas sagen kann, würde ich mich über eine Zuschrift freuen. (info@fffotos.de)

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Abbildung 14 :  Riesige Schiffe vor Salzfloren-Flächen. 

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Abbildung 15 :  Wüstenartige Flächen mit feinem verwehten Sand bedeckt, darauf rostige Stahlrohre und hinten die qualmenden riesigen Kühltürme von Doel.

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Abbildung 16 :  Abrupte Abrisse zum Wasser hin mit erkennbarer Sekundärschichtung. In den hier liegenden Sanden sind enorm viele Schalenreste (“Schill”) eingelagert und hier besteht auch die Chance auf gut erhaltene Fundstücke. 

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Abbildung 17 :  Ein riesiges Schiff dominiert den Horizont. Im Vordergrund windsortierte fossilführende Sande. 

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Abbildung 18:  Weißwangengänse (oder Nonnengänse) gibt es hier im Hafengelände in größerer Zahl.

Landschaftsaufnahmen Rainer Friedhoff

 

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