Im September besuchten wir für einen Kurzurlaub die Normandie. Eigentlich war es kein “Sammel”-Urlaub. Aber als infizierte Sammlerin ging es auch nicht ganz, ohne die Nase auf den Boden zu richten.
Immerhin lag die Tide so, dass wir meistens bis zum Mittag viel Zeit hatten, uns in den kleinen Küstenorten etwas genauer umzusehen.
Abbildung 1: Typisches normannisches Haus, dessen Fassade durch wunderbare Ziegel-Muster verziert ist.
Hier gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken. So fanden wir erstmalig in Luc-sur-Mer den kleinen Park, der eine Reihe wunderbare sehr alte Bäume aufzuweisen hat. Überrascht wurden wir dort auch von einem Wal-Skelett, das man in voller Größe bewundern kann. Es ist im Freien untergebracht, mit einem schützenden Dach darüber. Man kann ganz nah herangehen und wirklich alle Details ansehen. Einige Tafeln geben Erläuterungen wie z.B. den Hinweis auf verheilte Stellen an einigen Rippen, die von Verletzungen herrühren und die wir ohne diese Erläuterung leicht übersehen hätten.
Abbildungen 2 bis 5: Das überdachte Wal-Skelett in Luc-sur-Mer; eingeblendet die verheilten Rippen-Frakturen und die Barten
Wir hatten dann auch das Glück, dass hier in Luc gerade ein kleiner Wochenmarkt aufgebaut war. Die französischen Märkte haben immer einen ganz eigenen Charme und wir genossen und bewunderten die angebotenen Waren. Hier hatte es uns besonders ein Stand mit einer großen Paella-Pfanne angetan. Sie schmeckte so gut, dass wir uns noch einen Nachschlag holten!
Abbildungen 6 und 7: Auf den Märkten gibt es natürlich auch wunderbare Essens-Angebote wie hier Paella oder eine Kartoffel-Wurst-Pfanne…
Abbildungen 8 bis 11: Die vielfältig gegliederten Fassaden der Häuser hier an der Küste sind nicht selten mit Keramik verziert, in Form applizierter Kacheln oder auch mit figürlichen frei stehenden Kunstwerken wie dem eingeblendeten Eichhörnchen
Abbildungen 12 bis 14: Köstlichkeiten aus der Region – eine typische Boulangerie, Käse aus der Normandie und frisch angelandeter Fisch.
Der Besuch der Küste bei Langrune-sur-Mer war zunächst sehr enttäuschend: Weite Flächen waren von Seetang bedeckt und die freien Stellen voller Sand, so dass sich das Suchen nach Fossilien nicht lohnte.
Ganz anders dann in Luc-sur-Mer. Dort war gab es nur wenig Tang auf der Fossil führenden Schicht und fast keinen Sand. Das Ergebnis waren vier kleine Hemicidariten, zwei der winzigen Coronen von Polycyphus normannus und einige sehr kleine Acrosalenien. Außerdem gab es wieder wie in den guten Jahren sehr viele wunderschöne und recht große Brachiopoden.
Am Tag darauf dann in Luc das gleiche Bild wie vorher in Langrune, alles voller Tang und Sand, die ganze Küste entlang bis nach Lion-sur-Mer !
Dafür entschädigte uns der wunderbare Anblick der Küste, die sich an diesem Tag sehr farbig präsentierte mit einem schönen Regenbogen als Zugabe.
Abbildung 15: Ein malerisches Bild der berühmten Kliffküste zwischen Luc-sur-Mer und Lion-sur-Mer.
Abbildung 16: Teil der Kliffwand bei Luc-sur-Mer; die unteren Partien wurden vom Meer gerundet und geglättet.
Abbildung 17: Apiocrinites elegans (DEFRANCE, 1819). Oberbathonium (Discus-Zone); Langrune-sur-Mer. Links der Übergangs-Bereich Stiel-Kelch (2,3 cm), rechts ein Kelch (3,9 cm).
Abbildung 18: Muschel der Pectiniden-Gruppe. Oberbathonium (Discus-Zone); Langrune-sur-Mer. Maximal 5,4 cm.
Abbildung 19: Trigonia cf. eptingensis SCHWARZ, 1973. Oberbathonium (Discus-Zone); Langrune-sur-Mer. Maximal 5,1 cm.
Abbildung 20: Zwei Schnecken in calcitischer Schalen-Erhaltung. Oberbathonium (Discus-Zone); Langrune-sur-Mer. Links Nertoma (Nerdomus) delumbata [H. FISCHER (1909) aus PIETTE (1855)] (5,3 cm). Rechts cf. Amberleya coxi J.-C. FISCHER, 1969 (3 cm).
Abbildung 21: Arcomytilus asper (J. SOWERBY, 1818). Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Maximal 3,3 cm.
Abbildung 22: Oxytoma costata (TOWNSEND, 1813). Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Maximal 3,1 cm.
Abbildung 23: Brachiopoden-Gehäuse verschiedener Arten aus dem Oberbathonium (Discus-Zone) von Luc-sur-Mer.
Abbildung 24: Avonothyris langtonensis (DAVIDSON, 1852). Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Maximal 2,8 cm.
Abbildung 25: Kallirhynchia cf. yaxleyensis (DAVIDSON, 1878). Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Maximal 2,8 cm.
Abbildung 26: Eudesia cardia (LAMARCK, 1819). Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Maximal 2,8 cm.
Abbildung 27: Unbestimmte Bryozoen-Kolonie. Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Maximal 6,3 cm.
Abbildung 28: Ein weiterer Bryozoen-“Stock”. Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Maximal 3,8 cm.
Abbildung 29: Unpräparierte Seeigel-Gehäuse aus dem Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Größtes Gehäuse ca. 2 cm.
Abbildung 30: Polycyphus normannus DESOR, 1856 (unten) und ein Hemicidaris luciensis ORBIGNY, 1850 (Aboral-Seite oben, Apikal-System fehlt). Handstück mit zwei schönen Gehäusen. Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Durchmesser 1,3 und 1,6 cm; Handstück ca. 7,5 x 6,5 cm.
Abbildung 31: cf. Plegiocidaris [“Philicidaris”] blainvillei (DESOR in DESMAREST, 1856). Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Durchmesser 2,5 cm.
Abbildung 32: Gymnocidaris pustulosa (AGASSIZ, 1847). Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Durchmesser 3,3 cm.
Abbildung 33: Hemicidaris luciensis ORBIGNY, 1850. Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Durchmesser 2,4 cm.
Abbildung 34: Acrosalenia cf. hemicidaroides WRIGHT, 1851. Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Durchmesser 1,2 cm.
Abbildung 35: Acrosalenia spinosa AGASSIZ, 1840. Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Durchmesser 1,2 cm.
Abbildung 36: Polycyphus normannus DESOR, 1856. Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Durchmesser 1,4 cm.
Abbildung 37: Polydiadema cf. subcomplanata (ORBIGNY, 1850). Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Durchmesser 2,3 cm
Abbildung 38: Holectypus depressus (LESKE, 1778). Oberbathonium (Discus-Zone); Luc-sur-Mer. Durchmesser 4 cm.
Abbildungen 39 und 40: Die Küste an den “Falaises des Vaches noires” bei Villers-sur-Mer. Drohende Stimmung – die See wütet ein wenig, der Himmel ist eher trübe. Und vor allem: Die fossilträchtigen Ebbe-Gebiete stehen unter Wasser… Eingeblendet das Bild eines Pollers an der Abfahrt von der Küstenstraße zum neuen Museum “Paléospace l’ Odyssée” mit Ammoniten Darstellung.
Abbildungen 41 bis 43: Die Küste bei den Falaises von Villers-sur-Mer bei unterschiedlichsten Lichtverhältnissen und Stimmungen
In Villers-sur-Mer fand ich auch nur ein paar Stücke im Cenomanium. Der Strand war ansonsten gut abgesammelt und das meiste Geröll unter Sand verborgen. Dafür gab es auch in Villers wieder einen schönen Wochenmarkt und wunderbare An- und Ausblicke im alten Stadtkern.
Abbildung 44: Tetragramma variolare (BRONGNIART, 1822). Oberkreide (Cenomanium); Villers-sur-Mer. Durchmesser 3,5 cm.
Abbildung 45: Goniophorus lunulatus AGASSIZ, 1838. Oberkreide (Cenomanium); Villers-sur-Mer. Durchmesser 1,1 cm.
Abbildung 46: Unbestimmter regulärer Seeigel (??”Hyposalenia”). Oberkreide (Cenomanium); Villers-sur-Mer. Durchmesser 1,1 cm.
Abbildungen 47 und 48: Links die im kompletten Zustand relativ seltene Art Pseudholaster cf. sequanicus (BUCAILLE,1883) maximal 8 cm. Rechts ein kompletter Pseudholaster cf. sequanicus (BUCAILLE,1883) maximal 2,9 cm auf Gestein. Beide Stücke aus der Oberkreide (Cenomanium) von Villers-sur-Mer.
Abbildungen 49 und 50: Links Hemiaster bufo (BRONGNIART, 1822); maximal 2,6 cm. Rechts Catopygus carinatus (GOLDFUSS); maximal 1,6 cm. Beide Stücke aus der Oberkreide (Cenomanium) von Villers-sur-Mer
Abbildung 51 : Salenia petalifera (Defrance, in Desmarest, 1825) 1,8 mm, Oberkreide (Cenomanium) Villers-sur-Mer.
Mich faszinieren in den französischen Städten immer wieder die wundervollen Blumen-Arrangements. Man hat den Eindruck, dass die Städte und Dörfer einander zu übertreffen versuchen. Ich zeige ein Bild, das wir in Pont-l’Évêque gemacht haben. Es sind nicht einfach Blumenkübel, sondern wirkliche Kunstwerke, die eine heitere Stimmung verbreiten – selbst bei Regen.
Abbildung 52: Blumen-Arrangement vor dem Office de Tourisme in Pont-l’Évêque.
Dann kam der letzte Tag dieser kurzen Reise. Der Himmel war grau und zeitweise gab es leichten Sprühregen. Wir überlegten schon, ob wir nicht einfach einen Tag früher die Heimreise antreten sollten, beschlossen dann aber, das Wetter zu ignorieren und bei einem Buch an der Küste bei Criel-Plage (Gemeinde Criel-sur-Mer, Département Seine-Maritime, (Region Haute-Normandie) etwas auszuspannen.
Hier an der Küste ist die obere Kreide in riesigen Kliffs anstehend. Man findet eigentlich nur Fossilien, wenn es neue Abbrüche gibt. Das Wasser lief erst nachmittags ab und gegen Abend überwand ich mich, noch einmal an die Küste zu gehen.
Die Fundsituation war Mitte September so trübe wie das Wetter. Ich fand den einen und anderen kaputten Seeigel und stapfte lustlos zwischen den großen Kreideblöcken herum, die teils grün von Algen und teils mit bräunlichem Schlamm überzogen waren. Dann endlich fand ich einen heilen Echinocorys, bald darauf einen schöne Brachiopoden auf Gestein und schließlich auch noch einen Conulus. Naja, wenigstens war der Weg nicht ganz umsonst, dachte ich bei mir und wollte langsam wieder zum Auto zurückgehen.
Abbildung 53: Die Kliffküste bei Criel-sur-Mer, hier mal von oben gezeigt…
Abbildung 54: …und hier sehen wir den Kliff-Fuß, Blockfeld, Strandgeröll und die See.
Abbildung 55: Im Flint-Geröll liegen natürlich auch viele aufgearbeitete Fossilien wie dieser größere irreguläre Seeigel (??Echinocorys).
Abbildung 56: Carneithyris carnea (J. SOWERBY, 1812). Oberkreide (Senon); Criel-sur-Mer; maximal 3 cm.
Abbildung 57: Gauthieria radiata (SORIGNET, 1850). Oberkreide (Senon); Criel-sur-Mer; Durchmesser 2,5 cm.
Abbildung 58: Conulus sp. Oberkreide (Senon); Criel-sur-Mer maximal 3,6 cm
Abbildung 59: Leymeriaster cf. similis (d’Orbigny, 1854); Oberkreide (Senon); Criel-sur-Mer; maximal 2,3 cm.
Abbildung 60: Micraster normanniae BUCAILLE, 1883. Oberkreide (Senon); Criel-sur-Mer; maximal 3,8 cm.
Und dann plötzlich entdeckte ich ihn: Einen fast kompletten Stereocidaris in Feuerstein. Komplette Cidariten sind hier sehr selten. Ich fand bisher in jeweils zehn Jahren nur ein heiles Exemplar. Entsprechend groß war meine Freude über diesen Fund!
Abbildung 61: Stereocidaris sceptifera (MANTELL, 1822); zerrissene auf Flint sitzende Corona. Oberkreide (Senon); Criel-sur-Mer;
Durchmesser ca. 3 cm.
Auf dem Weg zum Rucksack konnte ich dann noch einen außergewöhnlich großen Micraster bergen und kehrte somit sehr zufrieden zum Auto zurück.
Das Beste kam dann aber noch am Abend, als die Sonne unter der Wolkendecke hervor kroch und uns einen fulminanten Sonnenuntergang bescherte!
Abbildung 62: Sonnenuntergang bei Criel-sur-Mer.
Landschaftsfotos: Rainer Friedhoff