Herbsturlaub in der Provence

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Die Provence ist zu jeder Jahreszeit eine Reise wert, auch wenn man Ende des Sommers nicht unbedingt viele Fossilien zum Aufsammeln erwarten kann. Unser Ziel war bei dieser Reise die Region um den Mont Ventoux, wo wir überwiegend in Schichten der unteren Kreide unterwegs waren. Um diese Zeit ist die Lavendel-Ernte beendet und die ganze Region duftet nach den Kräutern der Provence.

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Abbildungen 1 – 2: Der 1912 Meter hohe Mont Ventoux, der “Berg der Winde”, bekannt geworden auch als erster Berg, dessen Besteigung von einem berühmten Dichter geschildert wurde, nämlich von Petrarca im Jahre 1336.

Wir haben sehr viel erlebt. So sind wir z.B. auf die Empfehlung eines Franzosen über die “Dentelles de Montmirail” gekraxelt, wo man mit Glück Ammoniten finden kann.

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Abbildungen 3 – 5: Ein Teil der bizarren Felsformationen der Dentillen. Im Hintergrund der Mt. Ventoux.

Die Stelle mit den Ammoniten fanden wir allerdings nicht. Wenn man schöne Fossilien von hier sehen will, muss man in Avignon das Museum “Requien” besuchen (67, rue Joseph Vernet). Dort sind wunderbare Fossilien ausgestellt.

Wir sind gern im Abseits, folgen einer schmalen Asphaltstraße, die sich bergauf windet durch Schluchten und einen natürlichen Felstunnel. Oberhalb eines kleinen Dorfes halten wir auf einem freien Platz neben der Straße, auf dem wir früher schon gestanden haben. Die Fahrer der wenigen Autos, die hier vorbeikommen, grüßen alle freundlich. Wir haben hier einen freien Blick über Hochflächen und Berghänge und auf die Nordseite des Mt. Ventoux. Zwei Adler kreisen am Himmel und uns umgibt wieder “brüllende” Stille.

Gegen Abend steigt der Wind aus dem Tal auf und rauscht am gegenüber liegenden Hang. Zwei Falken jagen, sie sind wahre Flugkünstler. Die untergehende Sonne zaubert ein Feuerwerk von Farben an den Himmel. Später saust lautlos ein kleiner Nachtvogel – vielleicht ein Käuzchen – auf der Jagd dicht an uns vorbei. Fledermäuse flitzen umher. Jetzt wird es auch kühl, so dass wir uns warm einpacken müssen, aber die Vielzahl und Klarheit der Sterne, die hier zu sehen sind, lassen uns noch lange ausharren bei einem guten Schluck Wein. – Das ist für uns Provence!

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Abbildungen 6 – 7: Die schmalen Straßen oben in den Bergen erlauben keine schnelle Fortbewegung, wozu auch, aber sie ermöglichen wunderbare Blicke ins Land.

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Abbildungen 8 – 9: Hoch aufragende Felswände, tiefe und steile Schluchten, der Geruch der Kräuter, das Zirpen der Zikaden und der singende oder klagende Wind – all dies ist die Provence weitab vom Meer. Die Fotos zeigen die gleiche Ansicht bei unterschiedlichen Stimmungen.

 

Bei aller Liebe zur Natur kribbelte es dann doch, so dassƒ ich mich auch nach Fossilien umgesehen habe.

Zunächst besuchten wir die französische Sammlerin Francine Papier, deren fantastische Sammlung wir besichtigen durften. Francine kennt sich hier in der Provence sehr gut aus und hat viele seltene Stücke zusammengetragen, wie z.B. Fische aus der Region Cereste und als ganz große Besonderheiten Federn im Gestein. Ihr Hauptsammelgebiet ist z.Zt. die Montagne de Lure, berühmt auch für die heteromorphen Kreide-Ammoniten. Zu unserer großen Freude haben sie und ihr Mann uns zu einer Fundstelle in der oberen Kreide geführt. Dort fand sie an diesem Tag ein prächtiges Calycoceras.

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Abbildung 10: Mit Francine (Mitte) und Gerard Papier (links) im Gelände.

 

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Abbildungen 11 – 13: Weitflächig erschlossene kreidezeitliche Kalkmergel und Bankkalke. Francine zeigt einen bemerkenswerten Fund, ein großartig erhaltenes Calycoceras cf. stoliczkai (COLLIGNON) aus dem Cenomanium (Oberkreide).

 

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Abbildungen 14 – 15: Sie freut sich! Und das kann man auch verstehen! Sogar das Negativ sieht noch gut aus.

Ich selbst konnte am Mont Ventoux einen Ammoniten von 22 Zentimetern bergen (Abbildung 24). An anderer Stelle waren in größeren Blöcken viele verschiedenen Ammoniten zu sehen, ließen sich aber bis auf wenige Ausnahmen nicht heil herausklopfen. Das Gestein war hier extrem hart und die Fossilien trennten schlecht. 

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Abbildung 16: Und überall sieht man Geologie pur, hier steil gestellte Schichten der Unterkreide. Ein klassisches Profil in der Nähe von La Charce.

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Abbildungen 17 -19: Steinhaufen müssen natürlich immer untersucht werden, es könnte ja ein schöner Ammonit drin stecken! –
Silberdisteln sieht man im Herbst hier ۟berall.

Hier einige meiner Ammoniten-Funde aus Oberjura und Kreide der Gegend am und um den Mont Ventoux. Ein Höhepunkt beim Sammeln ist immer der Fund eines heteromorphen Ammoniten, jedenfalls für mich. Mit Glück findet man z.B. Crioceratiten (Abbildungen 27 und 28). 

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Abbildung 20: Perisphinctes (Dichotomosphinctes) sp. Oberjura; Oxfordium. Durchmesser 3,8 cm.
Abbildung 21 Sowerbyceras tortisulcatum (ORBIGNY, 1841). Oberjura; Oxfordium. Durchmesser 4,5 cm.

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Abbildung 22 : Sowerbyceras tortisulcatum (ORBIGNY, 1841). Oberjura; Oxfordium. Durchmesser ca. 4 cm.
Abbildung 23 : Sowerbyceras tortisulcatum (ORBIGNY, 1841). Oberjura; Oxfordium. Durchmesser 8,2 cm.

 

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Abbildung 24 : Unbestimmter phylloderatoider Ammonit. Durchmesser 5,1 cm.
Abbildung 25 : Vermutlich ein Acanthoceras aus der Oberkreide (Cenomanium), gesammelt an einer Baustelle in der Nähe des Mont Ventoux. Durchmesser 22 cm. 

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Abbildung 26 (oben links): Plesiospitidiscus cf. ligatus (ORBIGNY, 1841). Unterkreide; Hauterivium. Durchmesser 6,5 cm.
Abbildung 27 (oben rechts): Crioceratites cf. duvali L†VEILL‡, 1837. Unterkreide; Hauterivium. Durchmesser 5,8 cm.

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Abbildung 28: Crioceratites cf. duvali L†VEILL‡, 1837; vollkörperlich erhalten. Unterkreide; Hauterivium. Durchmesser 5,3 cm.

 

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Abbildungen 29 – 30: In Schluchten und Bachrissen bei Aulan stehen vor allem Schichten der Unterkreide an, Ton- und Kalkmergel aber auch harte Kalke. Die meisten dieser Schichten sind Fossil führend. In solchen Kalkmergel-Schichten kann man auch lose liegende, frei gewitterte Fossilien wie Rhincoliten und Belemniten-Rostren aufsammeln. Eingeblendet das Bild eines Macroscaphites striatisulcatus (ORBIGNY, 1841) aus dem Aptium der Gegend; Durchmesser 2,9 cm.

Freude machte mir vor allem das Sammeln von Duvalien, die in dieser Region mit diversen Arten vertreten sind. Beachtenswert sind hier die häufig anzutreffenden Spuren von Cirripediern (Acrothoracica; Formgruppe Zapfella), deren kleine Bohrgänge sich fast gleichmäßig rundherum auf den Rostren der Belemniten verteilen.

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Abbildung 31: Diverse Belemniten-Rostren aus der unteren Unterkreide (Valanginium). Links ein Exemplar der Art Duvalia dilatata (BLAINVILLE, 1827), in der Mitte ein Exemplar unsicherer Stellung, möglicherweise zu Castellanibelus gehörig, rechts cf. Pseudobelus bipartitus (BLAINVILLE, 1827). Größtes Exemplar 3,9 cm:

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Abbildung 32: Duvalia dilatata (BLAINVILLE, 1827), das linke Exemplar ventral gesehen, das rechte lateral.
Linkes Exemplar 3,6 cm. Rechtes Exemplar 7,2 cm.

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Abbildung 33: Zwei Exemplare der vielgestaltigen Form Duvalia dilatata (BLAINVILLE, 1827), das linke mit sehr vielen, das rechte mit wenigen Bohrgängen eines Cirripediers der Formengruppe Zapfella. Beide lateral gesehen. Untere Unterkreide (Valanginium). Linkes Exemplar 3,8 cm, rechtes Exemplar 7 cm.

 

Sehr interessant sind auch die Rhincoliten (früher Rhyncholithen), die ich in diesem Jahr zum ersten mal hier in der Region fand. Rhincoliten wurden bisher als Kauapparate von Nautiliden gedeutet. Das ist aber neuerdings umstritten und wird zunehmend angezweifelt; manche Wissenschaftler glauben an die Zugehörigkeit zu den Ammoniten.

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Abbildung 34: Rhincolites. Cephalopoden-Kiefer. Untere Unterkreide. Ein Exemplar in drei Ansichten; maximal 2,3 cm.

Nebenbei kann man sich an den geologischen Formationen in der Umgebung mit häufig fast senkrecht stehenden Gesteinsschichten erfreuen oder durch ein typisch provencalisches Dorf schlendern und dabei viele eindrucksvolle Einzelheiten entdecken. Hier macht das Fotografieren genau so viel Spaß wie draußen in der Natur!

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Abbildungen 35 und 36: Das Dörfchen La Charce inmitten der Berge. Eingeblendet das alte Ortsschild von Aulan, mit der Departements-Bezeichnung und den Entfernungen nach Sederon, Nyons und Valence.

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Abbildungen 37 – 39: Einige Impressionen aus provenzalischen Dörfchen. 

 

Im Herbst können in der Provence häufig sehr starke Gewitter heraufziehen. Und so machten wir uns nach einem schweren Gewitter mit sehr ergiebigem Regen schweren Herzens auf die Heimreise. Der Sonnenuntergang auf dem unten stehenden Bild soll für diesmal unser Abschied von dieser geliebten Landschaft sein.

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Abbildung 40: Ein schöner Sonnenuntergang – der Abschied von der Provence (aber nur für dieses Mal!). 

Landschaftsfotos: Rainer Friedhoff

Literatur: Gero Moosleitner “Fossilien sammeln in Südfrankreich”
Andreas E. Richter: “Südfrankreich und seine Fossilien”. 

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